Mareike Lotte Wulf

Corona-Impfpflicht im Gesundheitssektor: Darum habe ich mit JA gestimmt

In dieser Woche hat die Ampel-Koalition einen Gesetzentwurf in den Deutschen Bundestag eingebracht, der die Einführung einer einrichtungsbezogenen Impfpflicht, zum Beispiel für Beschäftigte in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen, umfasst. Die Ampel hat zu diesem Gesetz ein beschleunigtes parlamentarisches Verfahren beantragt. Bereits heute wurde das Gesetz vom Deutschen Bundestag mit einer namentlichen Abstimmung beschlossen. Ich habe dem Gesetzentwurf zugestimmt.

Wir stehen vor den wohl herausforderndsten Wochen der Pandemie. Die Lage ist kritisch. Es haben sich bisher zu wenige Menschen impfen lassen, um Schutz für alle sicherzustellen. Angesichts dessen können viele Bürger nachvollziehen, dass eine einrichtungsbezogene oder sogar allgemeine Impfpflicht zur weiteren Bekämpfung der Pandemie notwendig ist. Wie auch bei den übrigen Schutzmaßnahmen ist mir wichtig, dass entsprechende Initiativen transparent kommuniziert werden. Dazu gehört auch, zu erklären und gut zu begründen, wieso die Politik Positionen neu bewertet und mitunter auch bisherige Positionen verändert.

In den vergangenen Tagen erreichten mich zahlreiche Fragen und Forderungen zu diesem Thema, auf die ich im Folgenden gerne eingehen möchte.

Ist die Einrichtung einer einrichtungsbezogenen Impfpflicht verfassungskonform?

Klar ist: Die Einführung einer einrichtungsbezogenen Impfpflicht ist mit konkreten verfassungsrechtlichen Fragen verbunden. Im Kern geht es darum, zwischen einer nicht unbeachtlichen Eingriffsschwere für den einzelnen Bürger und der Schadensabwendung für die Gesellschaft abzuwägen. Die Rechtsexperten, die sich im Rahmen einer öffentlichen Anhörung des Hauptausschusses des Bundestages am 8.12.2021 zu dem Gesetzentwurf geäußert haben, kamen insgesamt zu dem Schluss, dass keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen eine einrichtungsbezogene Coronaimpfpflicht bestehen.

Ziel einer solchen Impfpflicht ist der Schutz vulnerabler Personengruppen. Zwar gibt es das Recht auf körperliche Unversehrtheit. Die Rechtsexperten argumentieren, dass Eingriffe denkbar seien, wenn sie verhältnismäßig ausgestaltet werden. Dies sei bei der partiellen Impfpflicht der Fall. Denn das Risiko für die benannten Gruppen, aufgrund einer Ansteckung durch ungeimpftes Personal schwere gesundheitliche Schäden zu erleiden oder gar zu sterben, sei um ein Vielfaches höher als das Risiko des Personals, durch die Impfung schwere Nebenwirkungen zu erleiden.

Werden wir hierdurch Pflegekräfte verlieren?

Die Corona-Pandemie hat uns unmissverständlich vor Augen geführt, wie wichtig gute Pflege ist. Landesweit sind es engagierte Pflegerinnen und Pfleger, die in dieser besonders schwierigen Phase der Pandemie unter erheblichen Kraftanstrengungen in den Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen bei der Bewältigung der Krise unterstützen.

Genaue Zahlen über die Impfraten von Pflegepersonal gibt es derzeit nicht. Schätzungen des RKI zufolge lag die Impfquote bei Personal in Pflegeeinrichtungen im Erhebungszeitraum Mitte September bis Mitte Oktober 2021 bei ca. 88 %. Der Gesetzentwurf nennt auch niedrigere Impfquoten (ca. 82%) eines RKI-Monitorings in 165 nicht-repräsentativen Altenpflegeheimen.

Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass Beschäftigte im Zuge der Einführung einer einrichtungsbezogenen Impfpflicht die Pflege verlassen – ein Effekt der keineswegs wünschenswert ist, den wir nach der Abwägung zwischen der Gefährdung von Pflegebedürftigen und der Gesamtlage in Kauf nehmen können. Der Blick ins europäische Ausland zeigt: Eine große Personalflucht ist dort bisher ausgeblieben. In Frankreich, wo bereits seit Mitte September eine Impfpflicht für bestimmte Einrichtungen besteht, konnten im Oktober zwischenzeitlich 0,6% der Beschäftigten in Gesundheitseinrichtungen ihre Tätigkeit nicht mehr ausüben. In Italien haben Stand November 0,4% der Beschäftigten im Gesundheitswesen ihren Job aufgegeben.

Letztlich würde hierzulande jedoch auch der Verlust einiger weniger Beschäftigter die ohnehin angespannte Situation in der Pflege zusätzlich verstärken. Daher ist es wichtig, dass man der Pflege insgesamt mehr Wertschätzung entgegenbringt. Was wir schleunigst brauchen sind strukturelle Verbesserungen und einen erneuten Pflege-Bonus.

Ist eine einrichtungsbezogene Impfpflicht überhaupt sinnvoll, wenn eine Impfung nicht zu 100% vor einer Infektion und Übertragung schützt?

Wir haben das große Glück, dass wir in Deutschland auf verschiedene wirksame und sichere Corona-Impfstoffe zurückgreifen können. Daten aus den jeweiligen Zulassungsstudien wie auch aus Untersuchungen im Rahmen der breiten Anwendung belegen, dass die in Deutschland zur Anwendung kommenden Impfstoffe Corona-Infektionen in einem erheblichen Maße verhindern.

Nach Informationen des RKI ist die Wahrscheinlichkeit, dass eine Person trotz vollständiger Impfung PCR-positiv wird, signifikant vermindert. Darüber hinaus ist die Virusausscheidung bei Personen, die trotz Impfung eine Corona-Infektion haben, kürzer als bei ungeimpften Personen mit Infektion. Zugleich ist das Risiko einer schweren Erkrankung bei geimpften Personen sehr gering. Die Impfung trägt somit bedeutend zur Eindämmung der Pandemie bei. Hierauf fußt letztlich auf die einrichtungsbezogene Impfpflicht.

Kommt jetzt der Pflege-Bonus?

Es ist ein gutes erstes Signal, dass auch die Ampel-Koalition entsprechende Bonuszahlungen an Pflegekräfte in ihrem Koalitionsvertrag angekündigt hat. Sie wird sich nun daran messen lassen müssen, wie zügig diese Wertschätzung bei den vielen engagierten Pflegerinnen und Pflegern ankommen wird. Hier braucht es umgehend klare, transparente und vor allem gerechte Richtlinien.

Wir in der CDU/CSU-Bundestagsfraktion wollen, dass die Pflegekräfte im Intensivbereich mit einer deutlichen Prämie für ihre erheblichen Zusatzbelastungen honoriert werden, und zwar jetzt und nicht erst wie von der neuen Regierung angekündigt im neuen Jahr. Deshalb haben wir in dem Gesetzgebungsverfahren einen Änderungsantrag eingereicht, nach der dieser Personenkreis eine von der Steuer freigestellte Prämie von 3.000 Euro erhalten soll. Der Antrag wurde abgelehnt.